Harz in Flammen
Vorwort zu "Harz in Flammen"
Archive sind wie Fenster zur Vergangenheit und somit zu unserer Geschichte. Öffnen wir sie also, um mehr darüber zu erfahren.
Mit Schätzen aus in- und ausländischen Archiven, den Spuren früherer Historiografen, Wissenschaftler und Forscher beschäftige ich mich seit vielen Jahren. Zunächst habe ich sie als Museumsleiter, später als Ahnenforscher sowie Erbenermittler dem Publikum zugänglich gemacht. Seit mehr als zehn Jahren tue ich dies nun als Stadtschreiber in Wernigerode.
Warum steht gerade der Dreißigjährige Krieg im Fokus meines Buchs? Dies beruht auf zwei Entdeckungen. Schon 2004 habe ich in der Harzbücherei in Wernigerode die Ausgaben des "Wernigeröder Intelligenzblatt" zwischen 1808 und 1816 studiert. Hierbei fand ich eine Abhandlung über die Ereignisse dieser Kriegsepoche, die ich transkribierte. Dazu gab es in meinem Museum, der "Krell'schen Schmiede" in Wernigerode, eine entsprechende Ausstellung. Zudem wurden die von mir aus mehreren regionalen Archiven zusammengetragenen Daten im Buch "Wernigerode im Dreißigjährigen Krieg - eine Stadt zwischen Pest und Belagerung" publiziert.
In Vorbereitung auf den 400. Jahrestag des Kriegsausbruchs forschte ich erneut zu diesem Thema. Dabei fiel mir auf, dass die Sicht auf eine einzelne Stadt zwar interessant ist, den vielfältigen Ereignissen im Harz aber nicht gerecht werden kann. Daher erweiterte ich den Betrachtungsrahmen zunächst auf die Nachbarstädte Halberstadt, Quedlinburg sowie Bad Harzburg und Goslar. Mit jeder neuen Stadt erschlossen sich wiederum weitere Orte und Gemeinden im Hoch- oder Vorharz. So wuchs der Gedanke, ein größeres Gebiet in die Dokumentation einzubeziehen. Zusammengenommen sind es über 100 Städte, Dörfer oder Wüstungen. Heute erstreckt sich der Harz über drei Bundesländer. Damals befanden sich auf dem Gebiet gut zwei Dutzend herrschaftliche Regierungen; hinzu kamen noch die reichsfreien Städte wie Goslar und Nordhausen. Dies erleichterte die Eingrenzung der Fläche nicht unbedingt. Zur Orientierung möchte ich die Fläche anhand der heutigen Verkehrsachsen umreißen: Die Südgrenze liegt bei der A 38, die östliche Begrenzung ist die B 180, die nördliche Grenze ziehe ich etwa bei der B 79/81/82 und die westliche Grenze liegt an der B 247/248.
Wer manchmal stutzig wird und sich fragt, ob dieser oder jener Ort noch zum Harz gehört, den kann ich beruhigen: Das Harzer Vorland erstreckt sich weit ins flache Land - diese Tatsache nutzen viele Städte in Sachen Eigenwerbung. Dennoch darf man das Ganze nicht zu eng sehen. Zum Beispiel gibt es Berichte aus dem Hochharz, die geopolitisch eher im Harzer Vorland anzusiedeln sind. So fiel die Auswahl der Orte nicht immer ganz leicht.
Meine Recherchen führten mich zuerst zum Hof- und Kriegsarchiv nach Wien, ins damalige Zentrum der Macht des Heiligen Römischen Reichs. Weitere Archivstudien folgten im Sächsischen Staatshauptarchiv in Dresden, wo ich Hunderte von Papieren sichtete. So manches Mal war ich der Verzweiflung nah angesichts der schwer zu entziffernden Schrift des 17. Jahrhunderts und der durch die Zeit verwischten Konturen. Doch die Mühen wurden belohnt.
Der Einfluss des kaiserlichen Hofes und der des kurfürstlichen Lehnsherren in Sachsen waren sehr tief greifend. Einige Dokumente belegen hervorragend die Ränkeschmiede zum Erhalt der eigenen Machtstellung. Dennoch haben diese Belege nicht ihren Weg ins vorliegende Buch gefunden. Angesichts des Umfangs und der Zahl der gesammelten Dokumente - es sind mehr als 2.000 - habe ich hierauf verzichtet. Vielleicht finden sie in einem späteren Werk Verwendung.
Was kann ich als Stadtschreiber in Wernigerode zur Forschung über diese Epoche beitragen, zu der schon zahlreiche Werke publiziert wurden? Mein Ansatz war es nicht, das Rad neu zu erfinden. Vielmehr habe ich die Quellen danach gesichtet, was ich aus ihnen unverändert übernehmen kann. Es war durchaus nicht so leicht, wie es vielleicht klingen mag, die alten Schriften zu lesen und mit Sachkenntnis und historischem Hintergrund aus ihnen "abzuschreiben". Es muss betont werden, dass viele der hier aufgetanen Quellen heute entweder gar nicht mehr zu lesen oder nur noch sehr schwer zugänglich sind.
Mit der vorliegenden Sammlung möchte ich den damaligen Autoren ein Denkmal setzen, die ihre Werke mit kritischen und gründlichen Vorortrecherchen zusammenstellten. Viele der von ihnen studierten Archivalien existieren heute nicht mehr und ihre Schriften sind somit der einzige Zugang zu diesen Quellen. Vermeiden wollte ich, dass ich nun ein "eigenes" Werk aus allen anderen entstehen lasse und dies als "meine Arbeit" anbiete. Schließlich habe ich beim Lesen der alten Werke des Öfteren geschmunzelt, da oft zu erkennen war, wie einer vom anderen abgeschrieben hatte. Deshalb finden sich in den einzelnen Kapiteln durchaus wortgetreue Doppellungen. Sämtliche Originalschreibweisen wurden beibehalten.
Der Umfang der Texte erforderte nicht nur bei der Zusammenstellung Konzentration und Ausdauer; beides ist auch bei der Lektüre notwendig. Um den Inhalt verständlicher und lesbarer zu machen als die nicht illustrierten Originalschriften, ergänzte ich die laufenden Texte durch Bilder, Karten und Zeichnungen. Mein Dank gilt allen Archivaren und ihren Mitarbeitern, die mir den Zugang zu den alten Quellen gestattet und damit das vorliegende Buch ermöglicht haben.
Ich wünsche viel Freude beim Durchforsten dieses Buchs. Vielleicht entdeckt der eine oder andere Leser Szenen seiner Heimatgeschichte oder findet sogar einen Vorfahren, der in dieser Epoche eine namentliche Rolle gespielt hat. Oder aber er findet hier die Gelegenheit zu erkennen, wie spannend und aufregend sich die heimatliche Geschichte darstellt. Denn meine Vorgänger haben exzellente Texte hinterlassen - wenn auch mit einer sehr variantenreichen Orthografie.
Diplom-Museologe Peter Nüchterlein
Wernigerode, März 2018
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